Google geht auf Konfrontationskurs zu Gewerkschaften

25.11.2019

 

„Don’t be evil“ („Sei nicht böse“) - das war das Google-Motto, als die Firma gegründet wurde. Jetzt aber lässt sich der Konzern, zu dem YouTube gehört, zunehmend mit der dunklen Seite der Macht ein. Einem Bericht der „New York Times“ zufolge haben sich Google-Manager mehrfach mit Vertretern der Beraterfirma IRI getroffen, die dafür bekannt ist, dass sie Firmen darin berät, wie sie gegen Gewerkschaften vorgehen können - eine Aktivität, die als „Union Busting“ bekannt ist.

 

IRI hatte unter anderem das Management des Yale New Haven Krankenhauses dabei beraten, wie es gewerkschaftliche Aktivitäten unterbinden könne. In einem 30seitigen Handbuch, das der „Yale Daily News“ 2007 zugespielt worden war, hieß es unter anderem: „Sie müssen den Mitarbeitern sagen, dass Sie nicht glauben, dass die Gewerkschaft in ihrem besten Interesse handelt.“ Die Krankenhaus-Manager sollten stattdessen behaupten, „dass die Gewerkschaften verzweifelt nach neuen Mitgliedern suchen, weil sie in den letzten Jahren Hunderttausende von Mitgliedern verloren haben.“

 

Google-Beschäftigte waren misstrauisch geworden, nachdem das Unternehmen kürzlich auf ihren Rechnern eine Browser-Erweiterung installiert hatte, in der Treffen gesondert angezeigt wurden, wenn dafür mehr als zehn Besprechungsräume oder mehr als 100 Teilnehmer*innen angefragt wurden. Die Beschäftigten hatten erst den Verdacht, mit dieser Browser-Erweiterung solle kontrolliert werden, ob sich Google-Beschäftigte in größeren Gruppen treffen, um über ihre Belange als Arbeitnehmer*innen zu sprechen. Dabei stießen sie in den - damals offenen - Kalendern des Managements auf die Treffen mit den professionellen Gewerkschaftsfeinden.

 

Google war lange Zeit dafür bekannt, sich bei seinen Beschäftigten beliebt zu machen, etwa mit Vergünstigungen wie kostenlosem Essen und Zubringer-Bussen zu den Büros. Doch dieses Klima der Großzügigkeit und Offenheit schwindet immer mehr. In der vergangenen Woche verkündete Google-Geschäftsführer Sundar Pichai, dass die bisher praktizierten wöchentlichen Mitarbeitertreffen demnächst nur noch monatlich stattfinden würden. Zudem dürfe dort nicht mehr über alles gesprochen werden. Schon im August hatte Google einen neuen Mitarbeiter-Leitfaden ausgehändigt. Darin wird den Beschäftigten verboten, „den Arbeitstag zu unterbrechen, um Debatten über Politik oder Nachrichten zu führen“.

 

Google reagiert zunehmend nervös auf Versuche der Beschäftigten, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Ende Oktober schritt das Unternehmen ein, als sich Beschäftigte in Zürich mit Vertretern der schweizerischen Gewerkschaft Syndicom treffen wollten. Bei Google in Zürich arbeiten rund 2.000 Beschäftigte, unter anderem an Google-Angeboten wie Gmail, Google Maps und YouTube. Lena Allenspach von der Gewerkschaft Syndicom: „Wir wurden von Google-Mitarbeitenden eingeladen, um Fragen zur rechtlichen Situation in der Schweiz zu beantworten.“ Das Google-Management versuchte, das Treffen per E-Mail zu stoppen: Google wolle Treffen zu solchen Themen lieber selbst organisieren. Man plane deshalb eine eigene Veranstaltung zu Arbeitnehmerrechten mit verschiedenen Gästen. Vox zufolge fand das Treffen mit Syndicom dennoch statt.

 

Die Schweizer sind nicht die einzigen, die sich trotz Widerstand von Google gewerkschaftlich organisieren. Bereits Ende September hatten sich die Beschäftigten des Google-Dienstleisters HCL in Pittsburgh der US-Stahlarbeitergewerkschaft „United Steelworkers“ angeschlossen - es war das erste Mal überhaupt, dass sich Angestellte („white collar workers“) im Umfeld des Tech-Giganten offiziell einer Gewerkschaft angeschlossen haben; bisher waren solche Bestrebungen auf Dienstleister wie zum Beispiel Wachpersonal beschränkt. Die hochqualifizierten Beschäftigten, zumeist mit Uni-Abschluss, werden teilweise mit rund 40.000 US-Dollar (gut 36.000 Euro) im Jahr abgespeist, und das ohne Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder auf andere Vergünstigungen, die Google-Beschäftigte genießen.

 

Begonnen hatte der Mitarbeiter-Protest bereits mit spontanen Arbeitsniederlegungen („Walkouts“) am 1. November 2018. Mehr als 20.000 Google-Beschäftigte protestierten damals dagegen, wie Google mit den Vorwürfen gegen eine Führungskraft umging, die der sexuellen Belästigung beschuldigt wurde. Statt die Vorwürfe aufzuklären, stattete das Unternehmen den Beschuldigten mit einem Abfindungspaket in Höhe von 90 Millionen US-Dollar (81 Millionen Euro) aus.

 

Die Aktivitäten von Google lassen auch die Umstände des geplatzten Treffens zwischen der IG Metall und Google am 22. Oktober 2019 in einem neuen Licht erscheinen. Google hatte sich damals geweigert, Jörg Sprave - den Gründer der YouTubers Union und Mitglied der IG Metall -, zu dem Treffen zuzulassen. Die IG Metall sagte das Treffen daraufhin ab. Es geht Google offenbar immer weniger darum, die eigenen Beschäftigten und Dienstleister - darunter Millionen von YouTubern - ernst zu nehmen und einen fairen Dialog zu führen. Sondern immer mehr darum, Technik aus dem 21. Jahrhundert mit Management-Methoden aus dem 19. Jahrhundert zu betreiben.