Der Grund, warum man neuerdings berühmt sein muss, um auch auf YouTube „groß raus zu kommen“

20.08.2019

 

Als Jörg Sprave die "FairTube"-Videos auf seinen YouTube-Kanal hochlud, hatte er eigentlich damit gerechnet, dass dies seinem Einkommen schaden würde, da sein übliches Publikum eher Steinschleudern und keine Gewerkschaftsvideos sehen will. Er hat das akzeptiert, ein Opfer für das gute Ziel - YouTube zu einem besseren Ort für die Creators zu machen. Aber das Gegenteil ist passiert: Seine Zugriffszahlen explodierten, und das nicht nur wegen der FairTube-Videos. Diese liefen ganz ordentlich, aber über 90% der zusätzlichen Views kamen von seinen regulären Clips.

 

Der wahrscheinliche Grund dafür ist klar - die FairTube-Kampagne war (und ist) überaus erfolgreich. Eine beträchtliche Reihe an internationaler Medienberichterstattung hat dazu geführt, dass Jörgs Name nun in aller Munde ist. Dies hat offenbar auch das YouTube Empfehlungssystem bemerkt. Seine Videos erscheinen wieder in "Trending" - wo sie nach der Adpokalypse nicht mehr oft zu sehen waren.

 

Warum ist das passiert? Nun, es gibt einen klaren möglichen Grund dafür.

 

In der Zeit vor der Adpokalypse war YouTube ein ziemlich geschlossenes "Ökosystem". Viele Leute konnten ihre Kanäle schnell ausbauen und zu echten YouTube-Promis zu werden, manchmal direkt aus dem Keller des Elternhauses heraus. Wenn Ihre Fans Ihre Videos "like-ten", dann empfahl YouTube sie anderen Nutzern weiter. Wenn die sie auch mochten, boom, ein virales Video war geboren.

 

YouTuber waren (und sind) nicht generell berühmt. Als YouTuber kann man in der jeweiligen YouTube-„Gemeinde“ sehr bekannt sein - aber auf der Straße wird selbst ein C-Promi aus dem Fernsehen häufiger erkannt als ein YouTuber mit 5 Millionen Abonnenten.

 

Warum ist das so? Nun, YouTube hat seine "Stars" noch nie außerhalb von YouTube beworben. Das ist ein großer Unterschied zu Hollywood. Die Filmindustrie sieht ihre Darsteller als wertvolle Vermögenswerte an, und sie investiert viel in ein entsprechendes Marketing. Auch wenn jemand "Avengers" noch nie gesehen hat - er wird trotzdem viele der Schauspieler erkennen. Gleiches gilt für Fernseh- und Streaming-Serien.

 

Deshalb wird über YouTuber außerhalb von YouTube in der Regel nicht viel diskutiert - außer wenn sie aus anderen Gründen, z.B. durch Skandale, "allgemein bekannt" werden. So albern es auch klingen mag, für Leute wie Logan Paul war es ein super kluger Schachzug, einen Clip über den Selbstmordwald in Japan zu machen. Er wurde zwar aus dem „Google Preferred“-Programm ausgeschlossen, aber plötzlich sprach die ganze Welt über ihn. Er machte überall Schlagzeilen. Früher war er nur ein YouTuber, jetzt ist er eine weltbekannte Persönlichkeit.

 

Dies ist relevant, denn als die Adpokalypse passierte, entschied sich YouTube offenbar, den Betriebsmodus in der Empfehlungsmaschine zu verändern. Kein Wunder also, dass man die YouTuber in "Trending" und "Recommended" nicht mehr sieht. Da YouTube niemals Geld in die Bekanntmachung der Top-YouTuber investiert, können diese hart arbeitenden Menschen es nicht in die begehrten "Trend-Bars" schaffen. Hollywood- oder Fernsehstars haben immer die Oberhand.

 

YouTube hat diese Änderungen wohl deshalb nicht kommuniziert, weil es klar war, dass dies bei den YouTubern und deren Fans nicht gut ankommen würde. Die Motivation ist klar: Promis sind viel "markensicherer" als YouTuber. Selbst wenn ein Promi einen Skandal verursacht, würde niemand YouTube dafür verantwortlich machen. Aber für den Logan-Paul-Skandal geriet YouTube ins Kreuzfeuer der Öffentlichkeit. Man hat daraus gelernt. Sicherheit hat für YouTube oberste Priorität.

 

Heute ist die beste Strategie, um auf YouTube groß rauszukommen, zuerst im Fernsehen oder im Kino bekannt zu werden. Oder einfach einen großen Skandal verursachen, idealerweise einen, der kein lebenslanges YouTube-Verbot nach sich zieht - heutzutage gar nicht mehr so einfach.

 

Ist das fair?

 

Nun, wenn YouTube im Frühjahr 2017 gestartet wäre, ja, dann könnte man sagen, dass dies durchaus fair wäre. Aber YouTube hat nicht erst in 2017 angefangen, sondern schon 2006, und in den "goldenen Jahren" der YouTuber (2012-2017) kündigten viele Menschen ihre regulären Jobs und wurden zu Vollzeit-YouTubern.

 

Unserer Meinung nach hat YouTube diese Leute verraten, indem sie es immer schwerer haben, in den Empfehlungen aufzutauchen. Sie wurden durch Hollywood- und TV-Berühmtheiten ersetzt. YouTube trägt Verantwortung für die alle Creators. Wir fordern deshalb, dass YouTube zu einem fairen System zurückkehrt. Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie dies erreicht werden könnte, z.B. durch Investitionen in Marketingmaßnahmen, um die YouTuber allgemein bekannt zu machen, oder einfach durch Änderung des Algorithmus, um die YouTuber wieder mehr zu berücksichtigen.

 

Wir würden das alles wirklich gern in den (hoffentlich bald anstehenden) Treffen mit YouTube besprechen.