Alexa ist auch nur ein Mensch
14.08.2019
Auf „Google Maps“ werden praktischerweise die Hotels (mit Buchungszeitraum) angezeigt, die man gebucht hat. „Alexa“, „Siri“ und „Cortana“ sagen einem, was „Zwei plus vier“ ist oder ob es morgen regnet. „Amazon“ und „Spotify“ geben Empfehlungen, was man sonst noch kaufen oder hören könnte, weil es so ähnlich ist wie das, was man mag. Das Auto fährt von selbst, weil es den Weg kennt und die Verkehrssituation erkennt. Und in der Personalabteilung werden die Bewerbungen schon einmal vorsortiert. Praktisch, diese „künstliche Intelligenz“.
Doch halt! Diese Intelligenz ist nicht „künstlich“. Es sind immer Menschen, die dahinterstecken. Öffentliche Aufmerksamkeit bekam diese Tatsache, als bekannt wurde, dass Menschen die Sprachaufnahmen von Amazons Dienst „Alexa“ auswerten. Eigentlich logisch: Damit „Alexa“ macht, was sie soll, muss sie die ganze Zeit eingeschaltet sein und mithören. Und da es auf der Welt 6500 Einzelsprachen gibt, muss das System ständig optimiert werden. Das können Maschinen nicht von selbst. Die Texte müssen von Menschen transkribiert werden. Und es sind längst nicht immer fest Angestellte, die Texte transkribieren. In Polen wurden Texte von Zeitarbeitern erfasst, die von der Firma Randstad rekrutiert wurden. Geschult wurden diese Mitarbeiter zwar in der Amazon-Niederlassung in Danzig. Arbeiten durften sie anschließend aber auch von zu Hause aus. Datenschutz? Wer da alles mithört? Einer der polnischen Zeitarbeiter beschrieb gegenüber der „Welt am Sonntag“ den Job als „ideale Hausfrauentätigkeit“. Viele Kollegen würden die Arbeit vom Küchentisch aus per Laptop erledigen und nebenher etwa auf ihre Kinder aufpassen. Inzwischen hat Amazon diese Aktivitäten gestoppt.
Da ist die Verbindung zu Crowdwork nicht weit. Ein Heer gering bezahlter Crowdworker/innen erzeugt hochpräzise Trainingsdaten für die KI-Modelle der Automobilindustrie. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Professor Florian A. Schmidt für die Hans-Böckler-Stiftung erstellt hat. Qualifizierte Vollzeitarbeitskräfte verdienen auf diesen Plattformen in der Regel ein bis zwei Euro pro Stunde. Die Arbeit fließt dynamisch zu jenen Menschen auf der Welt, die die niedrigsten Löhne akzeptieren - in diesem Fall in Venezuela, einem Land mit gut ausgebildeter und gut vernetzter, jedoch von Hyperinflation geplagter Bevölkerung. Menschen aus Venezuela sind so Teil eines Heers von digitalen Wanderarbeitern geworden, die wie Erntehelfer zwischen den neuen Plattformen hin und her ziehen.
Die Ergebnisse, die diese „künstliche“ Intelligenz liefert, sind jedoch nicht immer besser oder objektiver als menschliche Arbeit. Das zeigte sich bei dem Einsatz von KI durch Amazon. Es stellte sich heraus, dass das System Frauen benachteiligte. Denn es hatte vor allem technikaffine Männer im Blick. Das Problem dabei: „Weil es in der Tech-Branche mehr Männer gibt als Frauen, hat der Roboter geschlussfolgert, dass sich vor allem Männer für das Unternehmen begeistern können, und filterte Frauen eher heraus“, erklärte Sven Laumer, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Erlangen-Nürnberg in der „Zeit“.
Und YouTube? Dort sind es Maschinen (Bots) und ein Heer von rund 10.000 Zensoren (Rater), die Entscheidungen treffen: In welche Kategorie kommt ein Video, wird es (de)monetarisiert, freigeschaltet oder gesperrt. Die Entscheidungen dazu dürfen nicht Maschinen alleine treffen, immer muss ein Mensch die letzte Entscheidung treffen. So sieht es zum Beispiel die Europäische Datenschutzgrundverordnung vor.
Von den Entscheidungen sind Menschen betroffen, nämlich die YouTube-Creators. Sie haben einen Anspruch darauf, mit Menschen und nicht mit Maschinen zu kommunizieren. Das sagt einem nicht die künstliche Intelligenz, sondern der gesunde Menschenverstand.